Schilling: "Bin Aktivistin und werde das bleiben - auch als EU-Abgeordnete"
Als Spitzenkandidatin der Grünen geht die 23-jährige Klimaaktivistin Lena Schilling in den EU-Wahlkampf. Der KURIER traf sie in Brüssel.
Sie hat einen Winter lang die Baustelle des Lobautunnels in Wien blockiert, ist eine der bekanntesten Führungsfiguren der "Fridays for Future"-Bewegung für eine Klimawende, kämpft für faire Arbeitsbedingungen im globalen Süden - und zieht jetzt als Spitzenkandidatin für Österreichs Grüne in den Wahlkampf für die Europawahl im Juni.
Der KURIER traf die 23-jährige Lena Schilling bei ihrem ersten Besuch im EU-Parlament in Brüssel.
KURIER: Warum wollen Sie ins EU-Parlament und wofür wollen Sie sich hier einsetzen?
Lena Schilling: Ich will ins EU-Parlament, weil die Klimakrise eine der größten historischen Herausforderungen ist, vor der wir stehen. Die EU ist ja mit einem sehr ambitionierten Green Deal vorangegangen, von dem sehr viele Dinge beschlossen worden sind, sehr viele aber auch nicht.
Im Wahlkampf geht es mir darum, genau das wieder zum Thema zu machen. Ich will klarmachen, dass die Klimakrise nicht auf uns wartet. Der Klimawandel wird unsere Lebensrealität verändern, ob wir jetzt darüber reden oder nicht. Darum müssen wir sie jetzt angehen.
Viele Österreicher meinen, es gebe derzeit größere Krisen und für sie persönlich wichtigere Probleme.
Man muss die Sorgen der Menschen anerkennen und sagen: Ja, wir leben jetzt in multiplen Krisen. Aber von den zehn größten globalen Krisen sind fünf ökologische. Sie sind genauso drängend wie Kriege und andere Konflikte. Man muss klar machen, was die Klimakrise jetzt schon für unsere Welt bedeutet. Zunehmende Hitzewellen machen das Leben gerade für ältere Menschen schwerer, oder für vulnerable Gruppen, für Menschen mit wenig Einkommen.
Denken wir an 60.000 Hitzetote in Europa im Vorjahr. Da geht es um unseren Boden, auf dem wir unser Essen anbauen, unser Wasser, das wir trinken, die Luft, die wir atmen. Viel mehr Verbindung zu unserem Leben ist eigentlich gar nicht vorstellbar.
Da geht es um unseren Boden, auf dem wir unser Essen anbauen, unser Wasser, das wir trinken, die Luft, die wir atmen. Viel mehr Verbindung zu unserem Leben ist eigentlich gar nicht vorstellbar.
Auf welches Thema wollen Sie sich fürs erste konzentrieren?
Da ich mit Demos gegen den Lobautunnel angefangen habe - wo wir auch Baustellen blockiert haben, um Autobahnen zu verhindern - ist das Verkehrsthema mit mir zusammengewachsen. Deswegen ist der Verkehrsausschuss im EU-Parlament extrem spannend für mich. Es geht um ein Umdenken bei der Mobilität auf einer europäischen Ebene.
Verkehr ist der Sektor, bei dem die Emissionen seit den 1990ern am meisten gestiegen sind, bis zu 30 Prozent. Was also sind die Dinge, die Klimaschutz voranbringen? Bessere, verlässlichere Zugverbindungen, billigere Züge, einheitliche Möglichkeiten für Buchungen in ganz Europa. Da gäbe es ja Hunderte Vorschläge, die man machen könnte.
Sehen Sie sich als Vertreterin der Jungen?
Natürlich werde ich eine junge weibliche Stimme in diesem EU-Parlament sein. Was sollte ich auch anderes sein… aber in einem Parlament müssen verschiedene Perspektiven, verschiedene Lebensrealitäten, verschiedene Vorstellungen vertreten sein. Ich will nicht nur die Anliegen von jungen Menschen vertreten, sondern auch von Menschen, die an eine andere Welt glauben, die glauben, dass wir das mit der Klimakrise hinkriegen können.
Ich nehme viel von den Jahren mit, in denen ich jetzt Aktivistin gewesen bin. Das hat weniger mit jung sein zu tun, sondern mit einer Politisierung. 2019 sind viele junge Menschen überall auf der Welt aktiv geworden, weil es um eine so wichtige, große Sache ging. Ich trage den Mut und die Leidenschaft dieser Menschen jetzt ins EU-Parlament und werde mich nicht einschüchtern lassen.
Was ist für Sie Politik und wie wollen Sie Politik machen?
Das Wichtige ist, Politik grundlegend anders zu denken. Politik findet nicht nur in Parlamenten statt. Ich habe gerade fünf Jahre lang Politik auf der Straße gemacht, Politik findet in Schulen statt, überall dort, wo Menschen miteinander reden. Politik muss man viel breiter sehen, wir alle machen Politik auf die eine oder andere Art.
Klar in Demokratien muss man verschiedene Mittel nutzen, jetzt werde ich einmal meinen Fokus auf die parlamentarische Arbeit legen, aber ich bin ein politischer Mensch und ich bin Aktivistin und werde das auch bleiben. Politische Frustration, da muss ich immer lächeln, wenn man bei drei Grad über Monate auf einer Baustelle hockt, oder in einer Bürgerinitiative versucht, einen ganzen Tag lang Dinge basisdemokratisch zu beschließen. Dann kann das auch frustrierend sein. Ich bin es gewohnt dicke Bretter zu bohren.